Besuch von Henning Harnisch und Mitri Sirin
06. + 07.11.2023
Besuch an der Bodelschwinghschule
"Ich bin Henning Harnisch, habe mal Basketball gespielt und bin 2,02 Meter groß. Wer von euch kann mir denn vier Spielsportarten sagen? Derjenige bekommt von der Schulleitung ein Eis“. Selbiges war schnell gebrochen zwischen Henning Harnisch, Basketballeuropameister von 1993, und den Viertklässlern der Bodelschwinghschule im Schotthock, zumal die Schüler mit Fußball, Basketball, Handball und Volleyball bei den Sportarten goldrichtig lagen und Schulleiterin Nicole Haverkamp im nahegelegenen Supermarkt am Lingener Damm schon mal Ausschau nach einer Rutsche Eis halten kann.
Harnisch arbeitet bei Alba Berlin die Jugendsport und Gesellschaftsbewegung „Sport vernetzt“ aus und wurde bei der Kick-Off-Veranstaltung in Rheine, der TV Jahn ist seit letztem Jahr Netzwerkpartner, von Schulleiterin Nicole Haverkamp in die Bodelschwinghgrundschule eingeladen. Dort ist der TV Jahn Träger des Offenen Ganztages. Der Ex-Basketballprofi besucht die Partner-Standorte von „Sport vernetzt“ regelmäßig, um zu schauen, wo der Standort mit dem Projekt thematisch gerade steht, wo es Probleme gibt, wie man die nächsten Schritte angeht. Bereits am vergangenen Montag besuchte er den TV Jahn Rheine: „Nach einer euphorischen Phase kommt der ,schreckliche Alltag´. Viele stehen an der Stelle, dass sie sich fragen, wie es mittelfristig und strategisch weitergeht.“ Deswegen ging es bei der Besprechung mit dem Partner TV Jahn vor allem darum, was seit dem Kick-Off im März passiert ist, was die geplanten nächsten Schritte sind und welche langfristigen Ziele mit Sport vernetzt in Rheine verfolgt werden.
Auch in Berlin wird am Projekt weitergearbeitet. Es entstehen gerade verschiedenen Tools, um eine bessere Vernetzung zwischen den mittlerweile 50 Partnerstandorten herzustellen. Das Projekt lebt von dem Austausch der verschiedenen Standorte. Aus dem Grund setzt „Sport vernetzt“ zukünftig neue Schwerpunkte in Form von Arbeitsgruppen zu Themen wie: Sportliches Konzept, Ganztag und Mädchensport. Die Arbeitsgruppen werden sich aus Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Partnerstandorten zusammensetzen.
Beim Ortstermin am Dienstvormittag in der Bodelschwinghschule ebenfalls anwesend war Mitri Sirin, Nachrichtenmoderator im ZDF und gebürtiger Rheinenser. „Ich wuchs in einem Wohnblock am Lingener Damm auf und bin auf die Ludgerusschule gegangen“, erzählte er den Kindern, die ihn und Harnisch umschwärmten und fleißig Autogramme erhielten. Natürlich musste der Moderator der „19-Uhr-heute-Sendung“ und des ZDF-Morgenmagazins auch eine Begrüßung wie in den Nachrichten an die Schüler richten. „Ich kriege Gänsehaut, Digga“, befand ein Viertklässler nach der kurzen Anmoderation.
„Wie schaffen wir es, Kindern in sozial benachteiligten Lagen die gleichen Voraussetzungen zu geben wie anderen Kindern? Dreh- und Angelpunkt ist dabei ganz oft Elternarbeit. Sie müssen verstehen, wie Schule insgesamt in Deutschland funktioniert. Welche Möglichkeiten gibt es im Viertel, was kann man über Schule hinaus machen. Da so viele Kinder schon gut im Offenen Ganztag betreut sind, kann man sich dort noch besser verzahnen“, zeigte Schulleiterin Haverkamp ein Handlungsfeld auf, in dem auch „Sport vernetzt“ spielt.
„Der Kern von unserer Arbeit ist Zusammenarbeit mit Bildungsorten. Wir als Alba, selber Träger einer Ganztagsschule in Berlin, waren natürlich brennend interessiert, als wir gehört haben, dass der TV Jahn Träger des Ganztages an der Bodelschwinghschule ist. Das gibt es so bundesweit kaum. Wir sehen darin eine große Chance für den Sport. Gerade für Kinder, wo die Eltern nicht so hinterher sind, das haben wir in Berlin auch. Unsere Schule liegt im Bezirk Wedding, 99 Prozent der Kinder sind nichtdeutscher Herkunft, die Eltern leben in Armut. Wie man diesen Kindern in der Ganztagsschule einen neuen Weg zeigt, wie sie in den Sport reinwachsen können, das ist unser Ziel“, verdeutlicht Harnisch.
Der Weg in den Sportverein sei nun mal riesig, da müssen die Eltern viel mitdenken und oftmals seien die Sportvereine ja auch sperrig, Stichwort: Training immer dienstags, 17 Uhr. Was könnte man da anders machen, gerade für Mädchen? Wie könnte man das Umfeld so gestalten, das Sport schon ab der Kita läuft. Kitas und Schulen kooperieren fast nie, zog Harnisch ein Fazit. Es gebe nur Insellösungen, die nicht vernetzt seien. Wir müssen dahinkommen, für Kinder ab drei Jahren an der Idee zu arbeiten, wie man in den Sport rein wächst. Was kann im Unterricht laufen, was außerhalb des Unterrichts und was außerschulisch. Lehrerinnen, Erzieherinnen, Trainerinnen sollen sich miteinander vernetzen. Das ist eine große Chance, aber auch sehr anspruchsvoll“, zeigte Harnisch seine Vorstellung einer Ideallösung auf.
Zur ersten großen Pause gingen Harnisch und Sirin mit Schulleiterin Nicole Haverkamp, ihrer Stellvertreterin Andrea Schiermann und Carmen Schneider, beim TV Jahn zuständig für „Sport vernetzt“ ins Lehrerzimmer. Gedankenaustausch und kurze Vorstellungsrunde bei einer Tasse Tee. „Ihr seid ein sehr junges, engagiertes Kollegium“, stellte Sirin erfreut fest und berichtete über seine Erlebnisse bei den Bundesjugendspielen, „einmal nur eine Siegerurkunde bekommen zu haben.“
Die beiden Wahlberliner Harnisch und Sirin ließen sich die Räume und Angebote des Offenen Ganztages (OGS) zeigen, sprachen mit Mitarbeitern der OGS und besuchten den Religionsunterricht einer vierten Klasse. Begeistert zeigen sich die beiden, dass die Begrüßung nicht gesprochen, sondern gerappt wurde.
Mitri Sirin, Schirmherr des Projekts in Rheine, versprach zum Abschied: „Ich bin bereit, Gespräche im Rathaus zu führen. Ich brauche nur ein gutes Konzept, das ich verkaufen kann.“
Das der Offene Ganztag an der Bodelschwinghschule so gut laufe, stellte Harnisch beim Abschied erfreut fest. „Eigentlich müsste der Offene Ganztag der Sportverein sein, wo jedes Kind die Angebote nutzen kann“, wünschte sich Harnisch. Einige Viertklässler sahen den Besuch von Harnisch und Sirin unter einem ganz anderen Aspekt: „Wir hatten keinen Unterricht und ich habe von beiden ein Autogramm bekommen, voll cool.“
Zu Besuch beim Rotary-Club
"Wir brauchen im Sport eine neue Runde Bock. Bock darauf, etwas zu verändern!" Henning Harnisch, Vizepräsident des Basketball-Bundesligisten Alba Berlin, redete Klartext, als er gemeinsam mit Mitri Sirin und Ralf Kamp, Vorstandsvorsitzender des TV Jahn-Rheine, dei Aktion "Sport vernetzt" dem Rotary-Club Rheine vorstellte. Bei dem bundesweiten Projekt geht es darum, Kinder für Sport und Bewegung zu begeistern. Rotary-Präsident Franz-Jürgen Kümpers freute sich über ein "volles Haus" mit 60 Teilnehmern im Stadtpark-Restaurant.
Welche Bedeutung der Sport hat, stellte Mitri Sirin authentisch vor. Der 52-jährige gebürtige Rheinenser ist als Moderator des ZDF-Heute-Journals bekannt. "Ich bin im Arbeitermilieu im Schotthock aufgewachsen. Meine Mutter hat bei Kettelhack gearbeitet, mein Vater bei Kümpers", schilderte der Journalist und ehrenamtliche Botschafter der Aktion "Sport vernetzt". "Wir waren in meiner Kindheit immer draußen, das war abenteuerlich", berichtete er aus seiner Kindheit in Rheine. "Irgendjemand hat mich beim Kicken gesehen und dann zum VfB Rheine geschleppt." Diese Mannschaft sei heute noch miteinander verbunden. "Das alles hat mir Halt gegeben. Ich profitiere heute noch davon", berichtete er.
Harnisch, früher Basketball-Nationalspieler und Europameister im Jahr 1993, schilderte die Ziele des Projektes "Sport vernetzt". Im Schulsport sei die Lage teilweise dramatisch. Und die nicht so priviligierten Kinder landeten nicht so häufig in Sportvereinen. "Wir wollen Wege finden, wie wir diese Kinder für die Sportvereine gewinnen können", sagte Harnisch. Rheine könnte hier ein Vorzeigeort in der Bundesrepublik werden. Es sei schon "überragend" was z.B. der TV Jahn bei den Ganztagsangeboten der Grundschulen leiste. Dass das Projekt "Sport vernetzt" viel bewegen könne, unterstrich Ralf Kamp von TV Jahn: "Wir haben uns schätzen gelernt, weil wir Lust haben, etwas zu bewegen", sagte der TV Jahn-Chef.